16. Mai 2022

Der Teuerung auf den Grund gehen

von Maximilian Oswald
Beitrag teilen
Von Benzin über den Elektroherd bis hin zu Grundnahrungsmitteln – unzählige Produkte haben in den vergangenen Wochen markante Preisanstiege zu verzeichnen. Die Gründe dafür sind vielfältig und nicht immer nachvollziehbar. Die Landeszeitung hat bei Professor Johann Scharler, Leiter des Instituts für Wirtschaftstheorie, -politik und -geschichte an der Uni Innsbruck, nachgefragt.

Starke Teuerung oder „normale“ Konjunkturschwankungen – womit haben wir es aktuell zu tun?
Johann Scharler: Seit Mitte der 1980er-Jahre hatten wir eine Inflation auf relativ stabilem und insgesamt niedrigem Niveau, die Entwicklungen der vergangenen Monate sind hier schon außergewöhnlich. Die Ursachen dafür sind komplex, basieren aber grundlegend auf dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Die Inflation nimmt zu, wenn die Nachfrage steigt, das Angebot sinkt oder eine Kombination daraus eintritt. Während der Corona-Krise herrschte bei weiten Teilen der Bevölkerung Unsicherheit, was sich auf das Konsumverhalten, also die Nachfrage, ausgewirkt hat. Mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen hat der Staat versucht, die Nachfrage zu stabilisieren bzw. zu steigern. Das wirkt noch nach. Gleichzeitig haben Probleme in den Lieferketten während der Pandemie bzw. jetzt im Zuge des Ukraine-Krieges dazu geführt, dass das Angebot eingeschränkt war und ist. Nach einer aktuellen Studie für die USA dürften Angebots- und Nachfragefaktoren zumindest bis zum Krieg in der Ukraine ähnlich stark zur Teuerung beigetragen haben.
Welche Rolle spielt dabei unsere vernetzte Welt?
Hier gibt es zwei Seiten einer Medaille: Zum einen hat die Globalisierung Anteil daran, dass die Inflation in den vergangenen Jahrzehnten relativ stabil war. Durch den internationalen Wettbewerb hat die Marktmacht von Unternehmen abgenommen, ihr Spielraum für Preiserhöhungen ist dadurch eingeschränkt. Zum anderen bedeutet Globalisierung eine stärkere Abhängigkeit von weltweiten Entwicklungen, die sich dann auch bei uns entsprechend auswirken.
Welche Maßnahmen zur Entlastung der Bevölkerung sind zielführend?
Das betrifft in erster Linie die Zentralbanken, die für die Preisstabilität zuständig sind. Vor allem durch die Anhebung des Leitzinses soll die Inflation gebremst werden. Maßnahmen dieser Institutionen wirken aber nicht nur isoliert auf die Teuerung, sondern haben vielfältige Effekte, etwa auch auf den Arbeitsmarkt. Die Europäische Zentralbank hat jedenfalls angekündigt, dass die Zeit der lockeren Zinspolitik früher als noch vor dem Ukraine-Krieg erwartet zu Ende gehen wird, der Leitzins also steigen wird. Durch fiskalpolitische Maßnahmen – sprich die Senkung von Abgaben und Erhöhung von Transfer-Zahlungen wie Sozialleistungen – kann versucht werden, die negativen Auswirkungen der Inflation abzuschwächen. Man muss versuchen, die realen Einkommensverluste zu reduzieren, ohne die Nachfrage nach knappen Gütern zu fördern.
 



Tiroler Landtag / LandtagsdirektionLedlRossmann_3x3Kommentar
Die Klagen über die hohen Treibstoffpreise waren in den vergangenen Wochen vermutlich die lautesten „Symptome“ der aktuellen Teuerungswelle, doch schließlich betreffen die steigenden Kosten jede und jeden in unserem Land. Dass hier schnellstmöglich die nötigen Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen, um die Inflation abzudämpfen und zugleich die sozialen Folgen aufzufangen, ist essenziell. Bereits im März-Landtag stand ein ganzer Themenblock im Zeichen erster Maßnahmen, und auch die Tagesordnung der bevorstehenden Mai-Sitzung wird eine Vielzahl an Anträgen enthalten, die zum Ziel haben, die Auswirkungen der Teuerungen für alle Betroffenen möglichst abzumildern.
Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann 
 

Letzte Ausgaben