23. Mai 2022

Die Schatztruhe alter Landsorten für die Zukunft öffnen

Beitrag teilen
1.068 Saatgutproben von verschiedenen Landsorten aus dem alpinen Raum liegen in der Tiroler Genbank. Darunter auch verschiedene Bohnen, Mais und Erbsen.
Obernberger Schwarzhafer, Chrysant- Hanser-Roggen, Rotholzer Trockenbohne, Zwiebel-Wagger, Fisser Imperialgerste und viele mehr – all diese alten Landsorten liegen in der Tiroler Genbank und werden vermehrt auch wieder auf den Feldern angebaut.

„Mit der Genbank des Landes Tirol sichern wir die ungeheure genetische Vielfalt unserer heimischen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen und bewahren unser kulturelles Erbe. Mit unserem eigenen keimfähigen Saatgut bewahren wir aber auch die Grundlage unserer Ernährungssouveränität. Außerdem ist die Genbank eine Schatztruhe und Zukunftsaktie für die heimische Landwirtschaft, die regionale Wirtschaft, die moderne Pflanzenzüchtung und auch die Gastronomie“, unterstreicht LHStv Josef Geisler die Bedeutung der Genbank anlässlich ihres 100-Jahr-Jubiläums.

Mit Regionalität punkten
„Noch sind regionale Produkte aus alten Landsorten rar. In Zusammenarbeit mit dem Innovationszentrum der Agrarmarketing Tirol wollen wir die Schatztruhe alter Sorten für die Zukunft öffnen und neue Spezialitäten entwickeln und anbieten“, erklärt Agrarlandesrat Geisler. Doch regionale Produkte, die Geschichte haben und Geschichten erzählen, liegen im Trend. Zudem sind pflanzliche Lebensmittel stark im Kommen.
Welches Potenzial in der Schatztruhe Tiroler Genbank schlummert, wird anhand der Fisser Imperialgerste deutlich. Wiederbelebt wurde sie 2013 auf Initiative von Oberländer Bauern. Seit aus ihr von der Zillertaler Brauerei regionales Bier gebraut wird, haben sich die Anbauflächen in Tirol vervielfacht. Die Fisser Imperialgerste hat eine Renaissance erlebt. Und auch der Preis für die nunmehrige Braugerste, Ausgangsprodukt für feinsten Whisky oder Rollgerste für die traditionelle Gerstlsuppe, die einst als Futter für die Tiere diente, stimmt.

Aus Tradition wird Innovation mit Mehrwert
„Die Rückbesinnung auf alte Landsorten und deren Neuentdeckung kann nicht nur eine gute Ergänzung oder lohnende Alternative zur klassischen Produktion sein, sondern auch neue regionale Produkte kreieren und touristische Anziehungspunkte bringen“, betont LHStv Geisler und gratuliert der Genbank zum 100-Jahr-Jubiläum sowie Zillertal Bier zur regionalen Produktlinie und dem Braukunsthaus, das die Bierproduktion auf moderne Weise in all ihren Facetten erlebbar macht.

Interessante Eigenschaften für moderne Pflanzenzüchtung
Tirols alte Landsorten sind nicht besonders ertragreich und auch deshalb in den letzten Jahrzehnten aus dem Landschaftsbild weitgehend verschwunden. „Der Ertrag moderner Getreidezüchtungen übersteigt jenen der alten Landsorten zum Teil um das Zehnfache“, weiß Christian Partl von der Tiroler Genbank. Aber: Sie haben sich jahrhundertelag an die klimatischen Gegebenheiten des alpinen Raums bestens angepasst. Einige weisen Krankheitsresistenzen und Schädlingstoleranzen auf, die moderne, ertragreiche Sorten nicht haben. Viele der Landsorten können auch gut mit Trockenheit umgehen. „Das macht sie auch für die moderne Pflanzenzüchtung interessant“, erklärt Christian Partl. Die alten Landsorten, die wir in der Tiroler Genbank haben, sind ein Genpool, in dem die Landwirtschaft, die Wissenschaft und die moderne Pflanzenzüchtung fischen können. Genpool in Landeshand Als die Tiroler Genbank vor 100 Jahren gegründet wurde, war die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln eine tägliche Herausforderung, waren doch infolge des Ersten Weltkriegs die Kornkammern der ehemaligen Monarchie in der heutigen Ukraine verloren gegangen. Heute herrscht Krieg in der Ukraine. Und dieser wird sich vor allem auch auf die Ernährungssituation in Nordafrika auswirken. „Sowohl der Krieg als auch die Pandemie haben uns vor Augen geführt, wie wichtig eine gewisse Unabhängigkeit und Selbstversorgung mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs sind“, so LHStv Josef Geisler über die Bedeutung dieses landeseigenen Genpools.


Forschungsprojekte – der Zukunft den Boden bereiten

  • Interreg-Projekt Gene-Save 2002 bis 2008: Projekt zur Sicherung von lokalen Getreide-, Gemüse- und Apfelsorten in Nord-, Ost- und Südtirol gemeinsam mit dem Versuchszentrum Laimburg. 206 „neue“ alte Landsorten aus Nord- und Osttirol und 185 aus Südtirol in die Genbank aufgenommen. Zusätzlich 400 Apfelsorten.
  • Interreg Projekt CereAlp 2013 bis 2015: Untersuchung des Nutzungspotenzials von 59 Winterroggen- und zehn Winterdinkel- Landsorten als Brotgetreide. Sortenbeschreibung und Backversuche.
  • Euregio-Projekt Binkelweizen 2022 bis 2023: Anbau, Beschreibung und Untersuchung der Urgetreideart Binkel auf Inhaltstoffe und Backqualität gemeinsam mit Salzburg und Bayern. Historische Recherchen als Basis für die Entwicklung regionaler Spezialitäten und begleitender Marketingaktivitäten.
  • CerealClimate Start 2023: Gemeinsam mit der Universität Innsbruck Untersuchung alter Sommergersten-Landsorten und moderner Zuchtsorten auf Trockenstress im Hinblick auf den Klimawandel. 

Letzte Ausgaben