30. Juni 2023

Das konstruktive Kontrollorgan

Monika Aichholzer-Wurzer, Direktorin des Tiroler Landesrechnungshofes
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Monika Aichholzer-Wurzer, Direktorin des Tiroler Landesrechnungshofes
Am 1. Juli trat Monika Aichholzer-Wurzer ihr Amt als Direktorin des Tiroler Landesrechnungshofes an. Mit der Landeszeitung hat sie über Transparenz, Auswahl der Prüfungsobjekte und Künstliche Intelligenz gesprochen.

Frau Direktorin, seit wenigen Tagen stehen Sie an der Spitze des Landesrechnungshofes. Sind Sie nun die Chefkritikerin des Landes?

Die Rolle von uns Prüferinnen und Prüfern ist es zu schauen, was mit Steuergeldern passiert. Wir machen Probleme transparent, zeigen Missstände bzw. Fehlentwicklungen auf und: Wir sprechen Empfehlungen aus. Dadurch leistet der Landesrechnungshof einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Arbeit von Regierung und Verwaltung. Diesen konstruktiven Part unserer Tätigkeit möchte ich hervorheben.

Welche Bereiche werden vom Landesrechnungshof unter die Lupe genommen?

Zunächst alles, was an Verwaltungstätigkeit von Seiten des Amtes der Tiroler Landesregierung und der Bezirkshauptmannschaften geschieht. Dazu kommen noch die ausgelagerten Rechtsträger des Landes Tirol, also Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmen. Seit zehn Jahren prüfen wir auch die Verwendung öffentlicher Mittel bei Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner – samt ihren ausgelagerten Rechtsträgern. Wir haben also einen recht umfassenden Einblick.

Und was hat der Tiroler Landtag mit dem Landesrechnungshof zu tun?

Neben der Gesetzgebung ist die Kontrolle der Landesverwaltung eine Kernaufgabe des Tiroler Landtages. Dazu gehört auch die Gebarungskontrolle – also die Kontrolle der Finanzen. Als unabhängiges und weisungsfrei agierendes Organ des Landtages unterstützen wir die Abgeordneten bei ihrer Kontrollaufgabe, indem wir ihnen die Ergebnisse unserer Prüfungsarbeit in Form von Berichten bereitstellen. Diese werden im Finanzkontrollausschuss vorgestellt, bei den Sitzungen des Tiroler Landtages behandelt und veröffentlicht. Somit steht das Prüfungsergebnis auch jeder Tirolerin und jedem Tiroler zur Verfügung.

Wie kommt eine Prüfung zustande?

Als Direktorin lege ich im Rahmen des jährlichen Arbeitsprogrammes unsere geplanten, sogenannten Initiativprüfungen fest. Dabei achte ich neben dem finanziellen Volumen vor allem auf thematische Vielfalt, Aktualität und gesellschaftspolitische Relevanz. Zudem besteht die Möglichkeit, dass der Tiroler Landtag Sonderprüfungen verlangt, dafür reicht eine Minderheit der Abgeordneten. Und auch die Tiroler Landesregierung kann eine Sonderprüfung fordern, jedoch nur mit Zustimmung des Finanzkontrollausschusses.

Die thematische Vielfalt der untersuchten Bereiche ist groß – von sonderpädagogischer Intensivbetreuung bis hin zum Tirol-Büro in Brüssel. Wie geht man so eine Prüfung an?

Jede Prüfung beginnt mit umfangreichen Recherchearbeiten zum Prüfungsthema, um feststellen zu können, auf welcher Grundlage und für welche Maßnahmen das Land Tirol seine Ressourcen einsetzt. Darauf aufbauend erfolgt die Erhebung der Ist-Situation. Die wohl anspruchsvollste Aufgabe ist die Feststellung, ob mit den eingesetzten Ressourcen die geplanten Ziele erreicht wurden und die Mittel sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig verwendet wurden. Dabei zeigen wir Möglichkeiten zur Vermeidung von Ausgaben auf, legen die Ursachen festgestellter Mängel dar und geben Vorschläge für deren Beseitigung.

In Zeiten von Transparenzdatenbanken und Künstlicher Intelligenz – Stichwort ChatGTP: Wie sieht die Zukunft aus?

Um handlungsfähig zu bleiben, müssen wir natürlich stets am Puls der Zeit sein. Gerade erweitern wir etwa unsere Fachkenntnisse im Umgang mit großen Datenmengen. Die Expertise unserer erfahrenen Prüferinnen und Prüfer kann durch Künstliche Intelligenz in Zukunft wahrscheinlich ergänzt, aber nicht ersetzt werden. Sachlichkeit und Objektivität in der Prüfungsarbeit sind die Voraussetzungen für aussagekräftige Berichte. Sie sind die Grundlage für das Vertrauen in den Landesrechnungshof.

Steckbrief

Monika Aichholzer-Wurzer absolvierte die Diplomstudien Wirtschaftspädagogik und Betriebswirtschaft an der Universität Innsbruck, ihren Doktortitel erwarb sie in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.
Nach ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin folgte eine zweijährige Beschäftigung bei einer internationalen Wirtschaftsprüfungskanzlei.
2012 begann Aichholzer-Wurzer als Prüferin beim Landesrechnungshof, im März 2023 wurde sie vom Tiroler Landtag mit dessen Leitung betraut.
Am 1. Juli 2023 trat sie ihre 12-jährige Amtsperiode am Tiroler Landesrechnungshof an.

Prüfungskompetenz

Die Prüfungskompetenz des Landesrechnungshofes umfasst:
■ Den Landeshaushalt in Höhe von rund 5,6 Milliarden Euro und ein Vermögen in Höhe von rund 9,2 Milliarden Euro
■ 21 Landes- und 57 Tochterunternehmen (mit mindestens 50-prozentigem Landesanteil)
■ 10 Stiftungen und Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit
■ 269 Tiroler Gemeinden mit weniger als 10.000 EinwohnerInnen
13 PrüferInnen (u.a. JuristInnen, WirtschaftswissenschaftlerInnen, DiplomingenieurInnen) sind am Landesrechnungshof beschäftigt.
 
 

Kommentar

„Bis 30. Juni 2023 übte Reinhard Krismer über viele Jahre das Amt des Landesrechnungshofdirektors aus. Mit seiner Führungsarbeit hat er entscheidend dazu beigetragen, dass das Landtagsorgan eine weithin anerkannte Kontrollinstanz ist. Für diesen Einsatz möchte ich mich herzlich bei ihm bedanken! Für die Leitung des Landesrechnungshofes braucht es eine umfassende Fachexpertise, langjährige Erfahrung und auch konkrete Ideen für die Zukunft. Monika Aichholzer-Wurzer bringt das alles mit. Es freut mich, dass sie vom Tiroler Landtag mit 35 von 36 Stimmen zur Direktorin gewählt worden ist – ein deutliches Zeichen des Vertrauens.“
Sonja Ledl-Rossmann Landtagspräsidentin
Land Tirol/Christanell / o_VP_Sonja_Ledl_Rossmann / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
 

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