30. November 2020

Arbeiten an der Belastungsgrenze

von Maximilian Brandhuber
Mediziner in Intensivstation
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Bis zu fünf Stunden durchgehend in Schutzanzug samt FFP3-Schutzmaske, mit Schutzbrille und Handschuhen. Zwölf-Stunden-Schichten mit körperlicher und psychischer Dauerbelastung. Der Arbeitsalltag auf den Intensivstationen in den Tiroler Krankenanstalten ist – wie der Name bereits vermuten lässt – gerade während der Corona-Pandemie vor allem eines: intensiv.

„Unsere Pflegeteams kommen tagtäglich an ihre Belastungsgrenze“, beginnt Intensivpflegerin Marialuise Oberhofer mit ihren Erzählungen über ihre tägliche Arbeit auf einer der Covid 19-Intensivstationen am Landeskrankenhaus Innsbruck. Die Arbeit in Schutzausrüstung macht es natürlich nicht leichter: „Das schwere Atmen durch die FFP3-Maske lässt einen schneller ermüden, man schwitzt in den Anzügen, essen, trinken oder der Gang zur Toilette sind während der Zeit bei den Patientinnen und Patienten nicht möglich – das Betreten und Verlassen der Stationen würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen.“ Darüber hinaus ist die Pflege meist körperlich anstrengend. „Gerade Covid-Intensivpatientinnen und -patienten müssen sehr oft in andere Liegepositionen gebracht werden. Dabei ist stets darauf zu achten, keine Leitungen – beispielsweise für die Beatmung – zu beschädigen. Hier sind höchste Konzentration und Gefühl gefordert.“

Vielseitiges Know-how gefragt

Von der Gerätebetreuung über die körperliche Grundpflege bis hin zur therapiespezifischen Medikamentenverabreichung und der anschließenden Dokumentation – als Intensivpflegepersonal ist ein vielseitiges Know-how gefragt. Zur fachlichen Komponente kommt zudem noch ein weiterer wesentlicher Aspekt hinzu: Die soziale Kompetenz. Denn IntensivpflegerInnen fungieren oftmals als Bindeglied zwischen den ÄrztInnen und PatientInnen und sind meist erste Ansprechpersonen für die Angehörigen. „Die Corona-Pandemie erschwert uns den Kontakt mit den Angehörigen enorm. Gespräche, die wir davor persönlich in gewohnter Atmosphäre durchführen konnten, erfolgen nun tagtäglich über das Telefon. Da geht natürlich viel an Zwischenmenschlichem verloren, was bei derart sensiblen Themen durchaus sehr wichtig ist,“ erzählt die langjährige Intensivpflegerin.

Eineinhalb Jahre: Sonderausbildung zur IntensivpflegerIn

Um die fachliche Qualifikation für einen höchstmöglichen Pflegestandard zu gewährleisten, ist auch die dafür benötigte Ausbildung entsprechend umfangreich und spezialisiert. Die Sonderausbildung für die Intensivstationen, die man zusätzlich zur dreijährigen Diplomausbildung zum Krankenpfleger/zur Krankenpflegerin absolviert, dauert weitere eineinhalb Jahre. Sie umfasst 560 Stunden Theorie- und 760 Stunden Praxisausbildung. Diese müssen absolviert werden, um den Beruf letztlich auf hohem Qualitätsniveau durchführen zu können. „Neben der fundierten Ausbildung sind es vor allem die Erfahrungen, die man auf einer Intensivstation über die Jahre hinweg sammelt, welche für die Arbeit im Intensivbereich wichtig sind. Diese Erfahrungen können nicht von heute auf morgen gemacht werden“, betont Marialuise Oberhofer.

Prägende Erfahrung: Abschied per Videochat

Im Zuge ihrer langjährigen beruflichen Tätigkeit als Intensivpflegerin hat Marialuise viele emotionale Momente miterlebt. Eine ihrer prägendsten Erfahrungen hat sie vor Kurzem gemacht, erzählt sie: „Ein älteres Ehepaar wurde in die Klinik eingeliefert. Der Mann musste aufgrund seines sich verschlechternden Zustandes bedingt durch eine Coronaviruserkrankung kurz darauf auf die Intensivstation verlegt werden. Es wurde leider rasch klar, dass er die Krankheit nicht überleben wird. Wegen der hohen Infektionsgefahr war es seiner Frau nicht möglich, ihn persönlich am Sterbebett zu besuchen und auf seinem letzten Weg zu begleiten. Daraufhin haben unsere Pflegeteams für die beiden auf Tablets einen Videochat eingerichtet und somit einen Abschied – wenn auch auf Distanz – dennoch zumindest auf diesem Weg ermöglicht.“
Maximilian Brandhuber
Den Filmbeitrag zum Artikel finden Sie hier:
www.youtube.com/unserlandtirol 
Land Tirol / Intensivpflege_LKI / Zum Vergrößern auf das Bild klicken

Mit Schutzanzug, Maske und Brille – Arbeit unter erschwerten Bedingungen auf den Intensivstationen.
Land Tirol / PortroAt_Marialuise / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
„Intensivpflege braucht viel Erfahrung.“ Marialuise Oberhofer
 

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