09. Oktober 2019

Landesregierung setzt Maßnahmen für Tiroler Wirtshauskultur

von Bettina Sax
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Ende 2012 gab es in Tirol 321 aktive Gasthäuser, Ende 2018 waren es nur mehr 299. „Die Tiroler Wirtshauskultur ist Teil unserer Identität“, betont LH Günther Platter. Deshalb wird die Wirtshauskultur nun gezielt gefördert.
„Jed’s Dorf braucht a Wirtshaus“, „do treffen sich die Leit“, „des gehört zu Tirol wie insere Berg“ – solche und ähnliche Antworten sind zu hören, wenn man die Menschen nach der Bedeutung des Tiroler Wirtshauses fragt.

Für LH Günther Platter steht außer Frage, „dass die Tiroler Wirtshauskultur ein unverzichtbarer Bestandteil der Tiroler Identität und wichtig für die Gesellschaft ist“. Doch auch in Tirol nimmt die Zahl der Wirtshäuser in den vergangenen Jahren ab, eingesessene Betriebe kämpfen ums Überleben. Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat die Tiroler Landesregierung ein umfangreiches Maßnahmenpaket geschnürt.

Wirtshaus-Übernehmerförderung auf Schiene

Fehlendes Eigenkapital für Investitionen, hohe behördliche Auflagen und mangelnde Fachkräfte sind die Hauptgründe dafür, dass Wirtsleute oft keinen anderen Ausweg sehen, als ihren Betrieb zu schließen. Das Land setzt deshalb unter anderem auf eine Förderung für „ÜbernehmerInnen“ und „RevitalisiererInnen“ von Wirtshäusern: 15 Prozent ihrer Investitionssumme werden künftig durchdas Land und die Österreichische Hotellerie- und Tourismusbank (ÖHT) als „verlorener Zuschuss“ gefördert. Handelt es sich zudem um das letzte verbliebene Wirtshaus in einem Dorf, wird zusätzlich eine Landesprämie von 10.000 Euro für die Übernahme oder Aufrechterhaltung des Betriebs gewährt, sofern auch die Standortgemeinde 1.000 Euro beisteuert.

JungunternehmerInnen-Darlehen in Höhe von maximal 150.000 Euro bzw. 60 Prozent der förderbaren Summe sowie eine Beratungsförderung im Ausmaß von je 40 Stunden pro Jahr auf drei Jahre für JungunternehmerInnen, die vorher noch nicht unternehmerisch tätig waren, runden das Maßnahmenpaket des Landes ab. Für einen Förderanspruch gilt es jedoch auch, einige Voraussetzungen zu erfüllen: So muss das Speisen- und Getränkeangebot traditionell und regional sein, das Wirtshaus der Klein und KleinstunternehmerInnen als „à la carte-Betrieb“ geführt werden und ganzjährig geöffnet sein.

Einfachere Behördenverfahren für Tirols WirtInnen

Behördliche Auflagen zu vereinfachen bzw. zu „entrümpeln“ – zu diesem Zweck wird LH Platter eine Arbeitsgruppe mit DorfwirtInnen sowie ExpertInnen initiieren: „Ich möchte wissen, wo der Schuh drückt und was Verwaltung und Politik tun können, um bürokratische Hürden abzubauen.“ Bis Ende Oktober 2019 soll ein entsprechendes Konzept vorliegen – betreffen kann dies Raumordnungs- und Baufragen, die in die Zuständigkeit des Landes fallen, ebenso wie Änderungen auf Bundesebene, die der Landeshauptmann bei den kommenden Regierungsverhandlungen in Wien einbringen will.

Wirtshaus-ÜbergeberIn trifft auf potenzielle/n Wirtshaus-ÜbernehmerIn: Beide Seiten zusammenzubringen ist ab sofort Aufgabe des Übernehmerservice der Standortagentur Tirol. Ist der Kontakt einmal hergestellt, hilft die Standortagentur unterstützend auch bei Übernahmegesprächen bzw. -vorbereitungen.

Talente gesucht!

„Talents for Tourism“ – diese Initiative der Fachkräfteplattform Tirol startet ebenfalls mit Herbst 2019 und zielt darauf ab, den Fachkräftemangel im Bereich Gastronomie und Tourismus zu bekämpfen. Dabei können Personen ab 18 Jahren eine auf 18 Monate verkürzte Tourismuslehre für die Berufe Restaurantfachfrau/-mann, Köchin/ Koch oder Hotelkauffrau/-mann starten. Anstelle einer Lehrlingsentschädigung wird ein übliches Gehalt laut Kollektivvertrag bezahlt, die Kurskosten werden vom Land Tirol und der Wirtschaftskammer Tirol übernommen.

Für LH Platter geht es um den Erhalt der Tiroler Wirthauskultur, weshalb der Fokus des Wirtshaus-Pakets auf Kleinund Kleinstbetrieben liegt: „Auffallend ist, dass in Tirol statistisch gesehen jährlich zwischen 350 und 400 Gastronomiebetriebe zusperren, ebenso viele jedoch wieder aufsperren. Doch nicht als Tiroler Wirtshaus, sondern als Imbissrestaurant bzw. Restaurant mit internationalem Angebot.“

Beispiele aus Tiroler Bezirken

Im Bezirk Reutte und einigen Regionen des Bezirks Schwaz ist beispielsweise zu beobachten, dass viele Wirtshäuser das „à la carte“-Angebot einstellen – weil das Personal fehlt. In Innsbruck schließt mit Jahresende das Gasthaus Lewisch im Stadtteil Saggen, da kein/e NachfolgerIn bzw. neue/r PächterIn gefunden werden konnten. Dasselbe Schicksal traf im Bezirk Kitzbühel den bekannten Gasthof Lindner in Oberndorf sowie den Gasthof Sebi in Niederndorf im Bezirk Kufstein.
Trotz der derzeit schwierigen Lage gibt es Beispiele, die zeigen, dass auch andere Wege eingeschlagen werden können: So konnte beispielsweise in Gallzein im Bezirk Schwaz ein Dorfwirtshaus mithilfe von Förderungen aus dem Regionalmanagement, das vom Land Tirol wiederum unterstützt wird, wieder eröffnet werden. In Stumm, ebenfalls im Bezirk Schwaz, gibt es einige Wirtshäuser – sie alle überzeugen ihre Gäste durch echte Tiroler Wirtshauskultur und Regionalität.

Regionalität trifft Wirtshaus

Was sich immer wieder zeigt: Das Angebot von regionalen Produkten wird von den Gästen geschätzt. Vom heimischen Rind über Gemüse vom Tiroler Bauern bis hin zu selbst gemachten Kuchen: „Wenn wir von echter Tiroler Wirtshauskultur reden, müssen wir auch Tirols Landwirtschaft miteinbeziehen. Wir sind in der glücklichen Lage, dass unsere Landwirtschaft qualitativ hochwertigste Produkte herstellt. Ob Käse, Fleisch oder Obst und Gemüse – es gilt, die Synergien zwischen Landwirtschaft und Tourismus noch besser zu fördern“, sagt LH Platter.

Autorin: Bettina Sax

Wissenswert 

In Tirol gab es im Jahr 2018...
… 299 Gasthäuser
… 1.180 Restaurants
… 352 Imbissstuben und Jausenstationen
… über 1.000 Kaffeehäuser (inkl. über 100 Kaffeerestaurants) (Quelle: WKO Tirol)
Die Gastronomie gilt in Tirol als wichtiges Wirtschaftsstandbein. Im Jahr 2018…
… waren über 14.550 Personen in der Gastronomie beschäftigt
… wurden 152 Lehrlinge in der Gastronomie ausgebildet
… erzeugte die Gastronomie und Beherbergung eine Bruttowertschöpfung von rund 4,4 Milliarden Euro
(Quelle: WKO Tirol; Zahlen der Sparten Tourismus und Freizeitwirtschaft sowie gewerbliche Wirtschaft)
 

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