30. Jänner 2020

„Mein Leben war ein Auf und Ab“

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Missbrauch, Gewalt, Depression, Sucht – Barbara (Name geändert) hatte es schwer in ihrem Leben. Durch das Betreute Wohnen erfuhr sie Halt und Unterstützung.

Interview


Barbara, was ist Ihre Vorgeschichte, wie kamen Sie in eine Situation, in der Sie das Angebot des Betreuten Wohnens in Anspruch nehmen mussten? 

Nach einigen Suizidversuchen bin ich mit meinen Kindern vor meinem Ehemann – der vormals mein Stiefvater war und mit dem mich schon seit meiner Kindheit eine Gewalt- und Missbrauchsbeziehung verbunden hat – in ein Frauenhaus geflüchtet. Die vier Kinder wurden in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht, ich stand aber immer in engen Kontakt mit ihnen. Ich habe einige Versuche unternommen, allein zu wohnen und ein eigenständiges Leben zu führen. Das scheiterte aber an meinen Depressionen. Hinzu kam noch eine Alkoholsucht, die ich mittlerweile durch einen Entzug in den Griff bekommen habe. Nach stationären Aufenthalten und einer intensiven Betreuung durch eine Einrichtung für Menschen mit psychischen Erkrankungen wurde ich an das DOWAS für Frauen vermittelt. Ich konnte in eine vom Verein gemietete Wohnung einziehen und werde seither dort betreut. 

Wie kann man sich Ihr Leben im Betreuten Wohnen vorstellen? 

Ich lebe ein eigenständiges Leben in meinen vier Wänden. Einmal in der Woche treffe ich meine Betreuerinnen vom DOWAS für Frauen – entweder kommen sie bei mir in der Wohnung vorbei oder ich komme in das DOWAS-Büro. 

Wie hilft Ihnen die Unterstützung durch das Betreute Wohnen? 

Die Betreuung gibt mir Halt. Es ist gut zu wissen, dass da jemand ist, der mich unterstützt – psychisch, aber auch bei Behördengängen. Ich kann mich darauf verlassen, dass ich anrufen kann, wenn etwas ist. Gleichzeitig weiß ich, da ist jemand, der überprüft, ob ich zum Beispiel meine Termine eingehalten habe. Ich empfinde das nicht als Zwang oder Kontrolle, sondern als Ansporn. 

Wie sind Ihre Pläne für die Zeit nach dem Betreuten Wohnen? 

Ich möchte im Herbst den Schritt in die Unabhängigkeit wagen und mir eine eigene Wohnung suchen. Sie sollte etwas größer sein als die Garçonnière, in der ich jetzt lebe, damit mein Jüngster, der am Wochenende immer bei mir ist, seinen Rückzugsraum hat. Aber es ist schwierig, eine leistbare Wohnung zu finden. Im Moment starte ich bei der Talentebörse des Psychosozialen Pflegedienstes – einer Arbeitsinitiative, um meinen Alltag zu strukturieren. 
Haben Sie einen Rat an Betroffene, die in einer ähnlichen Situation sind wie Sie?  Sie sollten auf jeden Fall Hilfe annehmen, das ist keine Schande – egal, weshalb man in eine Notlage kommt. Ich dachte anfangs auch, ich brauche keine Hilfe, das schaffe ich alleine. Aber das ging einfach nicht.  
Interview: Iris Reichkendler 

Das sagen … 

Land Tirol/Berger / lrfischerportraits_91_lz… Gabriele Fischer, Landesrätin für Soziales

Laut Weltgesundheitsorganisation leidet jeder vierte Mensch an einer psychischen Krankheit. Schätzungen gehen davon aus, dass der Anteil unter wohnungslosen Menschen um Einiges höher ist. Aufgrund von Scham, aber auch wegen des fehlenden sozialen Umfeldes, wird Hilfe nicht oder nur sehr spät in Anspruch genommen. Eine wichtige Form der Unterstützung für die Betroffenen stellt das Betreute Wohnen dar. Sie erhalten individuell abgestimmte Betreuung und gleichzeitig bleibt ihr Bedürfnis nach Privatsphäre, Rückzugsmöglichkeit und Selbstbestimmung gewährleistet. Insgesamt stehen heuer tirolweit 71 Wohnungen für das Betreute Wohnen zur Verfügung. Eine Ausweitung ist bereits für dieses Jahr in Planung. Das Land Tirol stellt 2020 für die Betreuung und die Wohnstartmittel rund 708.000 Euro bereit.









DOWAS / petergrooner_kl… Peter Grüner, Sozialarbeiter DOWAS und Mitglied ARGE BEWO

Die ARGE BEWO ist ein Zusammenschluss von Aids-Hilfe Tirol, DOWAS, DOWAS für Frauen, Frauenhaus Tirol und dem Verein für Obdachlose. Das Projekt wird vom Land Tirol und der Stadt Innsbruck finanziell unterstützt. Es richtet sich an Menschen, die wohnungslos sind, in unzumutbaren Wohnverhältnissen leben oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Ihr Zugang zum Wohnungsmarkt ist eingeschränkt durch Arbeitslosigkeit, fehlende Existenzmittel, Verschuldung und gesundheitliche Beeinträchtigungen. Ziel ist die langfristige und dauerhafte Stabilisierung der Lebensverhältnisse durch sozialarbeiterische und psychosoziale Unterstützung. Die Mietwohnungen der ARGE sind im Stadtgebiet dezentral angesiedelt, um eine „Ghettoisierung“ zu vermeiden und die Integration in das Wohnumfeld zu erleichtern. Für die Miete kommen die BewohnerInnen selbst auf. 2019 umfasste das Angebot der ARGE 120 Wohnplätze in 60 Wohnungen, davon 25 für Kinder bzw. Jugendliche und 30 für Frauen.








Steinlechner / dowas-bewo_lz… Susanne Schwärzler, psychosoziale Mitarbeiterin im DOWAS für Frauen

Im DOWAS für Frauen wurden im vergangenen Jahr 278 Frauen mit 80 Kindern dokumentiert. Insgesamt wurden 820 Frauen beraten und begleitet. 151 Frauen mit 94 Kindern haben um einen Platz in einem unserer Wohnprojekte angefragt. Wohnungslosigkeit von Frauen tritt häufig als „verdeckte Wohnungslosigkeit“ auf: Frauen (und ihre Kinder) leben bei Verwandten, Freundinnen und Freunden, Bekannten und in Zweckpartnerschaften. Ungleiche Machtverhältnisse sind wiederum oftmals geprägt von physischer sowie psychischer Gewalt. Frauen sind in Österreich einem vergleichsweise höheren Armutsrisiko ausgesetzt als Männer. Geringe Einkommen von Frauen, Erwerbsunterbrechungen und unbezahlte Haus- und Familienarbeit, Trennungen und Scheidungen, persönliche Krisen uvm. sind Faktoren, die zu weiblicher Wohnungslosigkeit führen können.

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