07. Juni 2019

Nachhaltig „aufgetischt“ im SPZ St. Martin

von Iris Reichkendler
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Im hauseigenen Kräutergarten des SPZ St. Martin entdecken Direktor Georg Kiechl und Landesrätin Gabriele Fischer schon den ersten Ertrag der Saison.
Das Sozialpädagogische Zentrum (SPZ) St. Martin ist eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, in der Kinder und Jugendliche in betreuten Wohngemeinschaften leben. Ein besonderes Augenmerk wird auf die nachhaltige Bewirtschaftung gelegt. Landesrätin Gabriele Fischer machte sich dazu vor Ort ein Bild.

Wer am späten Vormittag eine der Wohngemeinschaften im Sozialpädagogischen Zentrum St. Martin betritt, wird von verlockenden Essensdüften empfangen. Heute stehen in der Kinder-WG Suppe mit Knödeln vom Vortag als Einlage und – zur besonderen Freude der Kleinen – Buchteln mit Vanillesauce auf dem Speiseplan. Den Größeren in der Jugend-WG wird Frittatensuppe und Geschnetzeltes mit Reis serviert. All diese Mahlzeiten haben eines gemeinsam: Die Lebensmittel dafür wurden mit Bedacht ausgesucht. „Seit einem entsprechenden Landtagsbeschluss vor rund 20 Jahren, wonach Landeseinrichtungen im Sinne der Nachhaltigkeit bewirtschaftet werden sollen, setzen wir dies im SPZ St. Martin um“, betont Direktor Georg Kiechl. Daher verwenden die Haushälterinnen der fünf Wohngemeinschaften für die Mahlzeiten der insgesamt 38 Kinder und Jugendlichen vorwiegend Zutaten aus biologischer und regionaler Produktion.

Marke Eigenanbau

„Der Salat und die Kräuter kommen aus unserem Garten. Der hauseigene Obstgarten liefert Äpfel und Birnen, die wir in der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Rotholz verarbeiten lassen. Auch Marillen, Ribisel und Holler ernten wir“, berichtet Kiechl. Die daraus gewonnenen Säfte sind die einzigen süßen Getränke, die in die Gläser des SPZ St. Martin kommen. „Limonaden oder Energy Drinks sind bei uns Tabu“. Auch aufs Brot, welches oft selbst gebacken wird, kommt Marmelade Marke Eigenanbau. „Letztes Jahr hatten wir eine Rekordernte“, freut sich Georg Kiechl. „In den 27 Jahren, seit ich in St. Martin bin, habe ich so eine Fülle noch nicht erlebt“. Was nicht selbst produziert werden kann, wird von umliegenden Bauern oder Nahversorgern in der Region bezogen: „Die Erdäpfel holen wir uns beim Nachbarn, die Eier beim Bauern zwei Straßen weiter. Auch Gemüse und Milchprodukte werden uns aus heimischen Betrieben geliefert“, erläutert Petra Lieb, passionierte Haushälterin und für die Koordination der Einkäufe verantwortlich. Morgen wird das Fleisch eines Jahrlings von einem Bauern aus der Nähe erwartet, das dann aufgeteilt wird, denn in jeder Wohngemeinschaft wird separat gekocht. Der Speiseplan orientiert sich nach den Vorlieben der BewohnerInnen – in regelmäßigen Abständen kommen deren Lieblingsgerichte auf den Tisch – aber auch nach diätologischen oder kulturellen Erfordernissen.

Hausmannskost und genussvolles Essen

„Diese Art der Bewirtschaftung hat gleich mehrere Vorteile“, weiß Kiechl. Nachhaltig hauszuhalten sei kein großer Aufwand. Auch das Budget lasse sich leicht einhalten. „Wir haben die nachhaltige Philosophie verinnerlicht“. Viel wichtiger ist dem Direktor, dass auch die jungen BewohnerInnen einen großen Mehrwert davon haben: „Oft kommen Kinder und Jugendliche zu uns, die das gemeinsame und genussvolle Essen auf eine neue Art kennenlernen. Gleichzeitig bekommen sie ein Bewusstsein für gesunde und nachhaltige Ernährung“. Durch den Eigenanbau und die Weiterverarbeitung der Lebensmittel im Haus erfahren sie auch einen besseren Bezug zur Nahrung. Ab und zu dürfen sie auch die Lieferanten – sprich die Bauern – besuchen und helfen dann im Stall oder beim Eier-Sammeln mit. ■ Iris Reichkendler  Im hauseigenen Kräutergarten des SPZ St. Martin entdecken Direktor Georg Kiechl und Landesrätin Gabriele Fischer schon den ersten Ertrag der Saison. Petra Lieb koordiniert die Lebensmitteleinkäufe der Wohngemeinschaften im SPZ St. Martin. Brot wird oft selbst gebacken und die Marmelade darauf selbst eingekocht und eingeweckt.

 

Kommentar

Nachhaltigkeit von Kinderbeinen an lernen
Was haben Nachhaltigkeit und der Grundsatz der Kinder- und Jugendhilfe, wonach das Kindeswohl an erster Stelle steht, gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass diese zwei Prinzipien untrennbar miteinander verbunden sind: Das Aufwachsen in einem sauberen und gesunden Ökosystem ist essentiell für Kinder und Jugendliche, denn ohne Schonung von Ressourcen und Natur werden ihnen und kommenden Generationen die Lebenschancen geraubt. Kinder und Jugendliche spielen daher als mitverantwortliche Konsumentinnen und Konsumenten, „Leidtragende“ und künftige Erwachsene eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels und dem Schutz natürlicher Ressourcen. Nicht ohne Grund wird die „Fridays for Future“- Bewegung von abertausenden jungen Menschen getragen. Kinder und Jugendliche sollen einen verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt und den Ressourcen lernen. Sie sollen mit dem Thema Naturnutzung vertraut gemacht werden – ohne erhobenen Zeigefinger. Nachhaltigkeit ist vielseitig und kann auch spielerisch und gleichzeitig handlungsorientiert vermittelt werden. Und genau da setzt die nachhaltige Bewirtschaftung im Sozialpädagogischen Zentrum St. Martin an. Ich freue mich sehr, dass in dieser Landeseinrichtung mit gutem Beispiel vorangegangen wird. Schließlich ist es unser aller Ziel, die Welt langfristig im Gleichgewicht zu halten und eine Grundlage für weitere Generationen zu schaffen.
LRin Gabriele Fischer
 

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