05. August 2020

Pressekonferenzen zum Mithören, Mitschauen und Mitlesen

von Iris Reichkendler
Gebärdendolmetscherin bei Pressekonferenz
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Macht die Gebärde für „Corona“: Gebärdensprachdolmetscherin Claudia Bair bei einer Pressekonferenz
mit (im Hintergrund von li.) Kinder- und Jugendanwältin Elisabeth Harasser, LRin Gabriele Fischer und
Petra Sansone, Geschäftsführerin der Tiroler Kinder- und Jugend GmbH.
Eine Faust vor einer Hand mit weit auseinandergestreckten Fingern. Die Finger beider Hände machen Bewegungen wie beim Klavierspielen, während sich die Hände in die entgegengesetzte Richtung (nach außen) bewegen. Die Zeige- und Mittelfinger beider Hände jeweils zu einem V geformt, der Mittelfinger einer Hand klopft seitlich zweimal auf den Zeigefinger der anderen Hand. Das sind die Gebärden für Corona, Virus und krank.

Diese Gebärden waren bei Landespressekonferenzen seit Beginn der Coronakrise Mitte Marz häufig zu sehen. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen fanden die Pressekonferenzen erstmals nicht mehr in Anwesenheit von JournalistInnen statt, sondern wurden live via Facebook und Youtube sowie auf der Landeshomepage übertragen. Damit hatte auch die Öffentlichkeit die Möglichkeit, den Ausführungen der Landesregierung sowie von ExpertInnen wie Günter Weiss, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin, in Echtzeit zu folgen. Schnell wurde dann klar, dass auch barrierefreies Mitsehen bzw. Mitlesen angeboten werden müssen. „Wichtige Informationen wie ‚Was ist verboten?‘, ‚Wie kann man sich schützen?‘ und schließlich ‚Welche Lockerungen treten ab wann in Kraft?‘ müssen auch jene Menschen erreichen, die akustisch nicht verstehen können, was beschlossen wurde und wie sich die Krankheit entwickelt“, stellt Isolde Kafka, Vorsitzende des Tiroler Monitoringausschusses zur Überwachung der Rechte von Menschen mit Behinderungen klar, denn: „Die UN-Behindertenrechtskonvention hat Inklusion zum Menschenrecht erklärt. Menschen mit Behinderungen müssen sich demnach nicht an ihr Umfeld anpassen, dieses muss vielmehr so ausgestaltet sein, dass alle Menschen gleichberechtigt leben und an der Gesellschaft teilhaben können.“

Technischer Aufwand lohnt sich

Der technische Aufwand war enorm: So wurde mit vier Kameras gearbeitet, wobei die Dolmetsch-Kamera Bild in Bild eingeblendet wurde. Zudem wurde in Zusammenarbeit mit gehörlosen Menschen die Bildgröße optimal an deren Bedürfnisse angepasst. Diese Art der Kommunikation erwies sich als sehr erfolgreich, erhielt zahlreiche positive Rückmeldungen und wurde und wird auch nach der Aufhebung der strengen Tiroler Verordnung bis zu den entsprechenden Lockerungen und darüber hinaus bei Landespressekonferenzen und Ansprachen beibehalten. Als weiteren Schritt in Richtung Barrierefreiheit wurde auch Schriftdolmetschen eingeführt: Dabei wird im Anschluss der Pressekonferenz eine Transkription (Niederschrift) verfasst und mit dem jeweiligen Youtube-Video verlinkt. Diese Dateien sind auch für blinde und sehbehinderte Menschen über die gängigen „Vorlese-Programme“, sowie über die Braille-Zeile für PC zugänglich.

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